Haus der Evangelischen Kirche Paderborn ist in Passionszeit Haus der Kunst

28 Künstler zeigen 44 Werke zu „blut (un)gleich leben”

VON ANN-BRITTA DOHLE

PADERBORN – In Zeiten politischer Instabilität und scheinbarer wissenschaftlicher Grenzenlosigkeit ruft das drastische Ringen um Macht und Reichtum, das jeden humanen Blickwinkel außer Acht lässt, die Menschen wach. Die Bevölkerung sucht nach Foren und die Kirche bietet sich als wichtige Begegnungsstätte an. In Paderborn ist das Haus der Evangelischen Kirche in der Passionszeit ein solcher Ort der Begegnungen. Unter dem symbolischen Titel „blut (un)gleich leben” lädt das Protestantische Forum im Kirchenkreis Paderborn hier zu einer vielfältigen Ausstellung zeitgenössischer Kunst ein. Zur Eröffnung am 8. März kamen 170 Kunstinteressierte.

Initiatorin Heide Welslau hatte einen Aufruf an alle Künstlerinnen und Künstler der Region gestartet, sich an der Ausschreibung zur Ausstellung „blut (un)gleich leben” zu beteiligen. Unter den 37 Bewerbern mit über 70 Arbeiten waren 28 Künstler mit insgesamt 44 Werken von einer Fachjury ausgewählt worden. Mit dieser für die ostwestfälischen Kreise Paderborn und Höxter repräsentativen Demonstration setzt sich die Gemeinschaft der Künstler auf ganz individuelle Weise mit der „Gleichung” Blut (un)gleich Leben” auseinander. Von meditativen, spirituellen Werken über expressive, aufrüttelnde Arbeiten, die innere Seelenzustände beschreiben bis hin zur plakativen, politischen Anklage reicht das Spektrum.

Nichts ist, wie es scheint. „Brot für die Welt” von Norbert Böckmann zeigt ein transparentes Kunststoffbrötchen, dessen durchscheinender Inhalt aus einer Patronenhülse besteht.

Der Bildhauer Herbert Görder installiert auf eine Grabsteinplatte anstelle einer Inschrift das aktuelle Spiegeltitelblatt „Blut für Öl”. Worum es im Irak wirklich geht.” In dem fünfminütigen Video von Burkhard Lohren und Martin Grzesiek kann der Betrachter den Weg eines Tieres vom Stall zum Schlachthof nachempfinden, indem er die Position des Tieres einnimmt.

Ein Besucher der Ausstellung vor den Arbeiten von Wolfgang Brenner (Borchen), rechts: „Blutzoll an die Wissenschaft”. Fotos: Wolfgang BrennerIn Wolfgang Brenners „Triptychon” (Blutzoll an die Geschichte, an die Wissenschaft) lösen sich die Grenzen zwischen dem Gestern und dem Heute auf. In drei Schaukästen hat er Fundstücke aus Auschwitz vermischt mit medizinischen, geometrisch angeordneten Glasscheiben, die zur Blutentnahme benötigt wurden. Handschriftliche Analysen über Blutkörperchen, Restbestände von Blut, die ein Kreuz ergeben, ein Holz und ein Schriftzug „go against” lösen angsterfüllte Assoziationen aus: unter dem Deckmantel medizinischer Forschung wird früher wie heute Folter und Menschenexperiment betrieben.

Der „Objektträger” von Dorit Croissier (Warburg) vereint Krankens und Gesundes. Fotos: Wolfgang BrennerEinen 2,10 Meter hohen „Objektträger” aus Plexiglas hat Dorit Croissier in Auseinandersetzung mit der Krankheit Aids geschaffen. In ihm bilden Elemente aus Porzellan – zwei stehen jeweils für Gesundheit und Kranksein – ein sichtbar-durchsichtiges Kreuz.

Das Bild „Panik” von ‚MOSES’ (Paderborn) ist Teil des Triptychon „Wahnsinn – Panik – Angst”. Fotos: Wolfgang BrennerDer Maler „MOSES” beschreibt in einer eindringlichen Abstraktion den Gefühlszustand innerer Angst und Panik.

Christine Steuernagel dringt in ihrer ästhetischen Komposition tief in die Verletzlichkeit der Materie „Mensch” ein. In der Collage liegt ein braunrötlicher „Schleier” über organischen und figürlichen Elementen, ein Buch ist plastisch mit eingearbeitet. Das Pendant zu diesem beunruhigenden Menschenbild bietet eine darunter hängende „Gottesanbeterin”.

2. Friederike Steinmann, Paderborn ("ohne.Titel" 1 und "ohne Titel 2") zeigt im Treppenhaus ihren Beitrag zu „Blut ist das Leben”. Fotos: Wolfgang BrennerFriederike Steinmanns Auseinandersetzung mit Blut und Leben führt direkt über ein religiöses Motiv. Auf einem weißen Hintergrund geben zwei ganz unterschiedliche Perspektiven den Blick frei auf ein Kreuz. An dem einen ist Jesus als angedeutete Menschenfigur zu sehen; an dem anderen ist der menschgewordene, leidende Gottessohn aus dem Blickfeld verschwunden. Durch eine verschobene Perpektive wird das bloße Kreuz zum abstrakten Galgen. Darüber der Himmel - ein leerer Raum - oder ein Raum der Reinheit?

Flammendes Rot auf dem Rundbild von Gisela Rietta Fritschi (Moers).- Fotos: Wolfgang BrennerZu einem meditativen Dialog laden das in flammenartigen Rottönen leuchtende Rundbild von Gisela Rietta Fritschi ein, die zwei roten Mahntafeln gegen die Verdrängung von Ingrid Moll-Horstmann und viele andere Arbeiten.

Die aktuelle, künstlerische Auseinandersetzung, gerade mit der Ambivalenz von Blut und Leben, ist bis zum 17. April montags bis donnerstags von 8 bis 16.30 Uhr und freitags bis 12 Uhr im Haus der Evangelischen Kirche, Klingenderstraße 13, zu besichtigen. Infos und Bilder auch unter www.kirchenkreis-paderborn.de

Weitere Bilder auf der Seite Ausstellung "Blut (un)gleich Leben"

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